 Pfarrnetzwerk 
        Asyl
Pfarrnetzwerk 
        Asyl
„Wenn bei dir ein Fremder in eurem Land lebt, sollt ihr ihn nicht unterdrücken. Der Fremde, der sich bei euch aufhält, soll euch wie ein Einheimischer gelten, und du sollst ihn lieben wie dich selbst; denn ihr seid selbst Fremde in Ägypten gewesen. Ich bin der Herr, euer Gott.“ (Lev 19, 33-34)
__________________________________________________________________________________________________________
            
        
        
        
            
				  
Mein Vater wurde im Jahre 1919 als jüngstes von sechs Kindern 
			  in Bratislava geboren. Die Familie hatte wohl deutsche Wurzeln.
Gegen Ende des 2. Waltkrieges wurde mein Vater zur Deutschen 
			  Wehrmacht eingezogen. Er kam nach Russland bis in den Kaukasus. 
			  Nach dem Zusammenbruch der Front im Jahre 1945,  ging er „von 
			  Russland zu Fuß nach Hause“, wie er immer zu erzählen pflegte.
In Bratislava fand er seine Familie nicht mehr – sie war in der 
			  Zwischenzeit vertrieben worden. Er geriet in russische 
			  Kriegsgefangenschaft,  kam nach einem Jahr aber wieder frei, 
			  weil er sich als Tscheche ausgegeben hatte.
Alle Personaldokumente meines Vaters waren verlorengegangen. Er 
			  ging über die österreichische Grenze, meldete sich  bei der 
			  Polizei und erklärte eidesstattlich seine Identität. Eine Tante, 
			  die in Wien lebte, nahm ihn in ihre Wohnung auf. Er bekam eine 
			  Aufenthaltsbewilligung, weil er sich verpflichtete, beim 
			  Wiederaufbau als Hilfsarbeiter mitzuarbeiten Die „Verleihung der 
			  Österreichischen Staatsbürgerschaft“ und ein österreichischer 
			  Reisepass waren zeitlebens die einzigen Personaldokumente. 
Im Flüchtlingslager in Hainburg fand er seine Familie wieder. 
			  Seine Eltern und der Großteil seiner Geschwister gingen von dort 
			  aus nach Deutschlang lebten bzw. leben hier. Mein Vater  ist 
			  als einziger aus seiner Familie in Wien geblieben.
Immer, wenn ich die folgende Bibelstelle höre, muß ich an 
			  meinen Vater denken:
„Mein Vater war ein heimatloser Aramäer. Er zog nach 
			  Ägypten, lebte dort als Fremder mit wenigen Leuten und wurde dort 
			  zu einem großen, mächtigen und zahlreichen Volk.“ (Dtn. 26,5)
Mein Vater war einer jener vielen Menschen, die im Krieg ihre 
			  Heimat verloren haben. Er hat darunter gelitten „a displaced 
			  person“ zu sein. Das war seine seelische Kriegsverletzung.
Doch weil er ist in seiner neuen Heimat bleiben konnte,  
			  hat er „Fuß gefasst“ – „Wurzeln geschlagen“ – „Spuren 
			  hinterlassen“. Seine Urenkel leben in diesem Land.   
„Denn ich kenne meine Pläne, die ich für euch habe“ - Spruch 
			  des Herrn – „Pläne des Heils und nicht des Unheils; denn ich will 
			  euch eine Zukunft und eine Hoffnung geben.“ (Jer 
			  29,11)
Meinem Vater zum Andenken.
XXs Vater stammt aus Poku, das im 
			  Norden Ghanas liegt an der Grenze zu Burkina Faso. Er gehörte dem 
			  Busanga-Stamm an. Seine Mutter kommt auch aus Poku, gehörte aber 
			  dem Kusasi-Stamm an. Beide Stämme sprechen verschiedene Sprachen.
Krieg als latente Gefahr
In Poku gibt es aufgrund der 
			  Landbesitzungen seit Jahrzehnten Streit zwischen  dem 
			  Kusasi-Stamm und dem Mamprusi–Stamm. Oft kommt es wegen 
			  Kleinigkeiten zu großen Auseinandersetzungen zwischen den Stämmen, 
			  es herrscht dann regelrecht Krieg mit Toten und Verletzten. Um 
			  diesen „Unannehmlichkeiten“ auszuweichen, die bis heute noch da 
			  sind, haben sich seine Eltern in der Kumasi/Ashanti-Region 
			  niedergelassen. Dort erwarben sie drei Zimmer, in denen XXs 
			  Geschwister bis heute leben.
XX ist als erstes Kind in Kumasi 
			  geboren. Es folgten noch zwei Brüder und eine Schwester, die heute 
			  acht Jahre alt ist. Die Eltern pachteten ein Stück Land bei 
			  Kintampo, das vier Stunden Autofahrt von Kumasi entfernt war. Sie 
			  nutzten das Land für den Anbau von landwirtschaftlichen Produkten 
			  und für Viehzucht. So waren die Eltern viel unterwegs und wohnten 
			  auch oft dort.
Tod auf der Straße
Betroffen erzählte mir XX, dass seine 
			  Eltern - als er gerade vierzehn Jahre alt war - einen Autounfall 
			  mit tödlichem Ausgang hatten. Unverständlicherweise hat diese 
			  traurige Nachricht XX nicht rechtzeitig erreicht und  er 
			  konnte bei der Beerdigung nicht dabei sein. Die Sorge für seine 
			  jüngeren Geschwister fiel ab diesem Zeitpunkt auf seine Schultern 
			  und da kein Geld mehr da war, musste er die Schule (Senior 
			  secondary school) abbrechen. Es gelang ihm durch 
			  Gelegenheitsarbeiten für das Weiterkommen der Familie zu sorgen.
Aufbruch in eine ungewisse Zukunft
XX hatte Kontakt zu einem Freund in 
			  Libyen, der ihn einlud zu ihm zu kommen um Geld zu verdienen. Die 
			  Reise dorthin war kein leichtes Unternehmen: auch sie kostete 
			  Geld. Durch den Verkauf persönlicher Gegenstände und die Hilfe 
			  durch Freunde konnte er mit sechs Millionen Cedis (das waren 
			  umgerechnet etwa 450 Dollar und entsprach in Ghana dem 
			  Jahreslohn eines einfachen Arbeiters) im Jahr 2009 aufbrechen: ein 
			  Lastkraftwagenfahrer, der Sperrplatten nach Niger transportierte, 
			  nahm ihn mit. Die Reise ging von Kumasi zunächst nach Burkina Faso 
			  und von dort durch den riesigen Nachbarstaat Niger.
XX, der offizielle Beifahrer
Unter der Bezeichnung „Beifahrer“  
			  kam XX, der keine Dokumente besaß, durch alle Grenzkontrollen. Der 
			  LKW-Fahrer hatte wohl Leute in Niger darüber informiert, dass sein 
			  Begleiter Geld bei sich hat. In der Folge wurde XX ausgeraubt und 
			  dann mit anderen Einwanderern in einem Autobus nach Agadas – einem 
			  Aufenthaltslager – gebracht. Dort hatte er die Möglichkeit durch 
			  Schwerarbeit Geld für die Weiterreise zu verdienen. Sobald er den 
			  für die Weiterreise benötigten Geldbetrag erarbeitet hatte, fuhr 
			  XX mit einem Truck nach Druku. Das war eine Dreitagereise, um dann 
			  mit einem anderen Fahrzeug, einem Pickup, die Wüste, Richtung 
			  Libyen, zu durchqueren.
In der Wüste überfallen und verirrt
Diese Reise dauerte für ihn drei 
			  Wochen. Es war eine beschwerliche Fahrt unter glühender Sonne, 
			  viel Staub, Sand und unvorstellbarem Straßenzustand. Die Nächte 
			  können in der Wüste auch sehr kalt sein. Das Fahrzeug war von 
			  Passagieren überlastet und der Essensvorrat bestand aus Wasser und 
			  Gari (Cassavamehl).
Auf halben Weg wurden sie von einer mit 
			  Gewehren bewaffneten Räuberbande aus dem Tschad aufgehalten und 
			  ausgeraubt. Alle Reisenden mussten sich nackt ausziehen, wurden 
			  geschlagen, verwundet und mussten Abführmittel in Pulverform 
			  einnehmen um sicher zu sein, dass sie nichts versteckten. Auch 
			  hier wurde XX seines gesamten Geldes beraubt.
Der Fahrer brachte dann alle zu einer 
			  Wasserquelle um sich zu reinigen und die Verletzungen zu lindern. 
			  Die Reise ging schließlich weiter und es stellte sich heraus, dass 
			  der Chauffeur die Fahrrichtung nach Libyen verloren hatte. Die 
			  Irrfahrt dauerte drei Tage. Wiederum wurden sie von einer 
			  Räuberbande überfallen. In der nächsten Nacht begegneten sie 
			  Menschen, die ihnen die Richtung nach Libyen zeigten, wo sie dann 
			  nach drei Tagen in Gabha ankamen.
Verkauft wie ein Stück Vieh
XX und die Mitreisenden wurden vom 
			  Fahrer an die Leute in Libyen verkauft und in ein Lager gebracht, 
			  wo sie misshandelt wurden. Die Polizei brachte sie nach Tripolis, 
			  wo sie wiederum illegal verkauft wurden, da sie kein Geld bei sich 
			  hatten. Für diese Herren mussten sie sechs Monate Schwerarbeit 
			  leisten. Nachher bekam er einen gefälschten Pass und konnte als 
			  Maurer bei in einer Firma arbeiten. In Tripolis begegnete er auch 
			  seinem Freund, der nicht in der Lage war ihm in irgendeiner Weise 
			  behilflich zu sein.
Zu allem Überfluss: Kriegsausbruch
Im Dezember 2010 brach der Bürgerkrieg 
			  aus. Es bestand Ausgangssperre: wer sie nicht befolgte und 
			  trotzdem das Haus verließ, kehrte nicht mehr zurück. Speisen waren 
			  nicht zu haben. Alle wollten nur Geld haben.
Ein Mann in Militärkleidung kam am 
			  10.05.2011 um 01.30 nachts zu ihm und brachte ihn im Auto zu einem 
			  Boot ans Meer. Nach einer Reise von drei Tagen ohne Nahrungs- und 
			  Flüssigkeitsaufnahme erreichten sie Lampedusa. XX fühlte sich 
			  erschöpft und niedergeschlagen, auch weil er nicht wusste, was mit 
			  ihm geschah und noch geschehen wird.
Im Lager waren Menschen von 
			  verschiedenen Nationen und Sprachen, nach zwei Tagen wurden sie 
			  wiederum zu einem Schiff mit unbekanntem Bestimmungsort gebracht. 
			  Am 19. Mai 2011 verließ er in Genua das Schiff und wurde in einem 
			  Bus nach Bozen gebracht. Seit dem 14. November 2011 ist er im 
			  Fischerhaus in Vintl (Pustertal) in Erwartung der 
			  Aufenthaltsbewilligung.
Und nun, wie sollte es weitergehen?
XX arbeitet zur Zeit einige Stunden 
			  täglich im Haus der Solidarität. Er ist dankbar und froh für diese 
			  Möglichkeit, für das Verständnis und Einfühlungsvermögen, die sie 
			  ihm dort entgegenbringen. Er fühlt sich angenommen in seinem 
			  schweren Schicksal, er, der sich so oft zwischen Leben und Tod 
			  befunden hat.
Die Hoffnung stirbt zuletzt
XX hofft sehr, eine 
				  Aufenthaltsbewilligung und Arbeit zu bekommen, damit er seinen 
				  jüngeren Geschwistern in Lebensunterhalt und Schulbildung 
				  beistehen kann. Wenn XX an seine Vergangenheit denkt, 
				  überkommt ihn eine große Traurigkeit und zugleich eine 
				  Empfehlung an seine Mitbürger in Ghana und in anderen Ländern, 
				  niemals in ihrem Leben die Heimat zu verlassen um einer 
				  solchen Ungewissheit entgegenzugehen. XX sagt:„Nur Gott hat 
				  mich gerettet!“ (2012)
				  
„Noch in Erinnerung“
Am 3.Juli 1945 vor Sonnenaufgang 
				  sperrten tschechoslowakische Soldaten die vorrangige 
				  Dorfstraße von Bruck a.d. Donau beim Ein- und Ausgang ab.
Bewohner des Dorfes, die zum 
				  Schnitt auf das Feld wollten, wurden mit Worten 
				  zurückgeschickt: „Drehts um, ihr braucht nicht mehr arbeiten, 
				  ihr werdet hinaus gschmissen“. Diese „Mär“ verbreitete sich in 
				  Windeseile.
Mein „Lieblingsonkel“ Josef, der 
				  jüngste Bruder meiner Mutter, er wohnte vier Häuser von uns 
				  entfernt kam etwas aufgeregt zu meinem Vater und sagte ihm:
„Ich fahre noch etwas weg zu den 
				  Slowaken, wo ich Slowakisch gelernt habe; ich möchte gerne 
				  euer besseres Ross mit meinem zusammen spannen, damit ich 
				  schneller vorankomme“. Mein Vater willigte ein, er nahm auch 
				  von uns etwas mit. Ich erinnere mich, dass die große 
				  Regen-Plane für unsere Dreschmaschine auch aufgeladen wurde. 
				  Woran dachte da mein Vater? Ich habe ihn später leider nicht 
				  befragt. Spontan sagte ich „ ich möchte mit Josef Onkel 
				  mitfahren“.
Dazu muss ich sagen, dass ich sehr 
				  oft mit ihm unterwegs war. Und so fuhren wir quer zur 
				  Hauptstraße über Felder in das slowakische Nachbardorf. Wir 
				  luden die Sachen schnell ab und machten uns auf den Rückweg. 
				  Wir mussten wieder die Kleine Donau mit einer Fähre 
				  überqueren, die der Josef Onkel bediente. Ich hielt die Zügel 
				  der Pferde. Am Ufer kam uns eine Frau entgegen, es war eine 
				  slowakische Händlerin. Mein Onkel erkundigte sich, was in 
				  unserem Dorf los ist. Sie fing heftig zu weinen an und sagte: 
				  „Die Brucker sind schon alle hinaus gschmissen worden.“ Mein 
				  Onkel und ich waren natürlich sehr betroffen und umso 
				  schneller versuchten wir heim zukommen.
Wir fuhren von hinten in seinen 
				  Garten.
Auf der Vorderseite war eine 
				  Holzplanke. Ich sprang gleich vom Wagen und schaute durch die 
				  Fugen hindurch auf die Straße. Was sah ich da? Mein Jokl 
				  Onkel, mein Firmpate, fuhr mit seinem Pferdewagen, begleitet 
				  von einem Soldaten; darauf seine Frau mit dem 1 jährigen Sohn. 
				  Wie ich nachher erfahren habe, war das eine Ausnahme, dass 
				  jemand einspannen durfte.
Aber da hatte ein „Aussischmeisser“ 
				  Nachsicht.
Ich rief meinem Josef Onkel zu „Den 
				  Jokl führen sie schon weg“. Ich wollte nur heim. Er: „ Bleib 
				  da“. Ich aber wartete nur ab, dass der Pferdewagen vom Joklo 
				  Onkel vorbei war, huschte hinaus und bog links ab und war 
				  schon hinten bei unseren Hausgarten. Wir hatten noch ein wenig 
				  altes Stroh, indem das neue Fahrrad meiner Mutter versteckt 
				  war. Aber das Stroh war durcheinander und das Fahrrad war 
				  natürlich weg. Ich ging weiter nach vor. Im Freien lag 
				  friedlich das Vieh, mit dem ich am Vortag noch der Weide war. 
				  Dieses Bild von dem ruhenden Vieh sehe ich heute noch vor 
				  mir... Ein Soldat entschwand gerade zum Nachbarhaus, unterm 
				  Arm einige Wäschestücke. Nun kam ich zu unserem Wohngebäude. 
				  Zu! Verschlossen! Kein Vater, keine Mutter mehr da! Sie waren 
				  bereits  „hinausgeschmissen“ worden. Zur Illustration, 
				  was das bedeutet hat: Die Bewohner hatten ja keine Koffer oder 
				  sonstige „Gefäße“ fürs Packen. Meine Eltern hatten ein Tuch 
				  mit vier Bändern („Zizeltuch“), womit sonst Heu oder anderes 
				  Futter transportiert wurde, ausgebreitet und ein paar 
				  „Armseligkeiten“ verstaut.
Dazu kam: meine Mutter war 
				  hochschwanger (sie hat am 29. Juli in Hainburg  Klara 
				  entbunden), meine Schwester war 7 Jahre und ich mit 10 Jahren 
				  hätte „ das Kraut auch nicht mehr fett“ machen können. Mit 
				  einer solchen Gegebenheit mussten sie handeln ...Ich stand 
				  also vor verschlossenen Türen. Ich ging ins Nachbarhaus – auch 
				  niemand da. Ins nächste – da gab es einen Knecht, einen 
				  Slowaken. Den fragte ich. Er meinte: „die sind beim Notar“. 
				  Das war am Anfang der Ortschaft. Unser Haus befand sich in der 
				  Mitte, der Schule gegenüber. Und so machte ich mich auf den 
				  Weg, mitten auf der Straße. Siehe da! Ein Soldat fuhr vergnügt 
				  mit dem Fahrrad meiner Mutter. Ich rief ihm zwar zu „Das ist 
				  unser Rad, gib es zurück“!. Er schenkte mir keine 
				  Aufmerksamkeit, er verstand mich ja auch nicht. So ging ich 
				  enttäuscht weiter, ich hatte ständig Tränen in den Augen. Und 
				  bevor ich zum Ziel kam, sah mich ein Schulfreund meines Vaters 
				  so weinend allein auf der Straße. Er sprach mich an „Von wo 
				  kommst du daher“, und lud mich ins Haus. Ich erzählte, dass 
				  ich mit meinem Josef Onkel bei den Slowaken in Ivanka war. 
				  Seine Frau hatte inzwischen einen Teller Kaiserschmarrn 
				  hergerichtet. Aber der war so heiß, so dass ich keine Geduld 
				  aufbrchte, ihn fertig zu essen. Ich wollte nur zu  meinen 
				  Eltern. Ja die waren fast visá-vis im Hof vom Notarhaus. 
				  Schnell schlüpfte ich durch den schmalen Eingang. Es war ein 
				  aufregendes Wiedersehen. Endlich waren wir zusammen. Nach 
				  einiger Zeit machte ich mich wieder auf den Weg. Meine Mutter 
				  erklärte mir, dass in der hinteren Kammer unsere Schuhe seien. 
				  Ich soll sie holen. Die Bewacher konnten die Kinder nur schwer 
				  unter Kontrolle halten.
Mir gelang es, zu entwischen und 
				  einige Paar Schuhe zu holen.
Gegen Abend wurde gefragt, wer zu 
				  Hause Pferde habe. Mein Vater meldete sich. Ja die sollten sie 
				  mit dem entsprechenden Fuhrwerk herbeibringen Da ging ich auch 
				  mit meinem Vater mit. Zu Haus angekommen sind wir durch ein 
				  Fenster eingestiegen und hatten noch Bettzeug herausgeholt, 
				  das wir unter den Sitz versteckten. 
An den beiden Sammelplätzen – der 
				  andere war bei der Kirche – wurden die Vertriebenen noch beim 
				  Durchlass „gefilzt“, d.h. Was den „Akteuren“ gefallen hatte, 
				  haben sie noch weggenommen. Als wir in Kolonne 
				  zusammengestellt waren, fuhren auf der anderen Straßenseite 
				  einige zukünftige Bewohner auf leere Leiterwägen ins Dorf.
Junge Männer sprangen herunter und 
				  kamen auf uns zu. Anscheinend wussten sie schon, welches Haus 
				  sie bekommen. Denn einer kam zu unserem Wagen, er wusste die 
				  Nummer unseres Hauses, denn er nahm meinem Vater die Zügel weg 
				  und sagte: „Die gehören jetzt mir“. Mein Vater musste den 
				  Platz räumen. Der junge Bursch hat dann die Zügel der Pferde 
				  genommen. Meine Mutter auf der Sitzbank daneben musste sich 
				  damit abfinden. Der Zug setzte sich in Bewegung und so wurden 
				  wir dann „abgeführt“ nach Preßburg durch die Nacht hindurch in 
				  eine aufgelassene Patron-Fabrik. Auf den Fußboden mit ein 
				  wenig Stroh verbrachten wir dort 3 Wochen. Das war bestimmt 
				  die schlimmste Zeit für uns. Die Männer wurden geholt, um 
				  Schutt in der Stadt wegzuräumen. Kleine Kinder starben, alte 
				  Leute hatten es besonders schwer. Die Sanitäranlagen waren 
				  einfach schrecklich . Ansteckende Krankheiten breiteten sich 
				  aus. So weit es möglich war, versuchten wir dieser Misere zu 
				  entkommen.
Ich hatte in dieser Zeit auch 
				  wieder Glück. Meinem Vater und mir gelang es das Lager zu 
				  verlassen. Ein Bruder meines Vaters hatte in ein ungarisches 
				  Nachbardorf geheiratet und war ein gut situierter Bauer. Bei 
				  ihm verbrachte ich einige Zeit und hütete zusammen mit 
				  ungarischen Buben sein Vieh. „Leider“ verständigte ich mich 
				  mit ihm auf Deutsch, so dass ich nicht viel Ungarisch lernte. 
				  Aber es war trotzdem sehr spannend. Mein Steffl Onkel lieferte 
				  auch öfters Gulasch in großen Behältern
ins Lager nach Pressburg. So zeigte 
				  er seine Verbundenheit mit seinem Geburtsort.
Die Lagerleute dankten es ihm.
Ich weiß nicht, wo mein Vater 
				  erfahren hatte, dass wir nach Österreich abgeschoben werden. 
				  Auf alle Fälle holte er mich wieder ab. Er konnte einen 
				  Freund, dem er einmal in einer Mühle geholfen hatte, sogar 
				  gewonnen, - auch wegen meiner hochschwangeren Mutter - dass er 
				  uns zur Grenze mit seinem Pferdewagen fuhr.  Ja wir kamen am 
				  24. Juli abends an die Grenze und übernachteten im Freien. Am 
				  anderen Tag haben „sie“ uns über die Grenze geschickt. 
Das war der alte Grenzübergang 
				  direkt vor Kittsee. Da hat es geheißen „Jetzt könnt ihr 
				  gehen“! Ja wir gingen. Eine Gruppe bog „links“ ab nach Pama, 
				  ein Ort, mit dem Brucker einmal Viehhandel getrieben hatten 
				  und Bekanntschaften bestanden.
Eine Gruppe ging „gerade“ nach 
				  Berg, Edelstal und „wir“ bogen nach „rechts“ und kamen nach 
				  Wolfsthal. Dort wurden uns die Stallungen des Grafen zu 
				  gewiesen.
Vieh war ja keines mehr da. Das 
				  hatten die „Deutschen“ beim Rückzug mitgenommen und den Rest 
				  holten die „Russen“. So hatten wir Platz. Aber welch ein 
				  Geruch im Sommer!? Vor Hunger aßen wir die „grünen“ Äpfel des 
				  Grafen. Mein Vater organisierte bald eine Kammer vielleicht 
				  4x7 in einem Meierhof, zwischen Wolfsthal und Hainburg. Dort 
				  zogen mein Jokl Onkel zu dritt und wir, nachdem meine Mutter 
				  in Hainburg unsere Klara zur Welt brachte, zu fünft ein.
Leider waren wir nicht allein. Eine 
				  übergroße Schar von unzähligen Flöhen war schon vor uns da und 
				  behaupteten sich ganz einfach. Am meisten litt mein Vater. Den 
				  haben sie unheimlich gern gehabt. Meine Schwester Julie ging 
				  im September nach Hainburg in die Schule. Ich brauchte nicht, 
				  denn ich konnte ja schon lesen und schreiben. Nein - es gab 
				  einen anderen Grund - eine „Mär“: „Wir kommen wieder heim. Die 
				  werden nur alles ausrauben, aber aufbauen können wir es 
				  wieder.“
Diese Mär hat sich einige Zeit 
				  gehalten. Darum bin ich lieber mit meinem Vater mitgegangen, 
				  wenn er bei den Russen bei Viehschlachten war. Die Zubusse an 
				  übriggebliebenen Fleischstücken besserte den Speiseplan unser 
				  beider Familien auf.
Öfters sind wir in die alte Heimat 
				  mit russischen Lastwagen unterwegs gewesen (oder gingen 
				  schwarz durch die „Bätschen“ (ein Wald) Da holten wir auch 
				  Lebensmittel: Mehl, Schmalz, Milch,... Das spannendste 
				  Unternehmen war wohl – wir brauchten einen Kinderwagen für 
				  unsere kleine Klara.
Darum ging es wieder in die alte 
				  Heimat nach Preßburg auf einen russischen Laster, der 
				  Schlachtvieh geladen hatte und das meinem Vater und mir 
				  Deckung bot. So kamen wir durch die Grenze. In Preßburg gab es 
				  zum Unterschied von Österreich noch vieles zu kaufen. Wir 
				  hatten noch slowakische Kronen und so kauften wir einen neuen 
				  Kinderwagen. Zurück war es ein wenig komplizierter; ich musste 
				  den Kinderwagen auf einer „Pontonbrücke“(deutsche Soldaten 
				  hatten beim Rückzug die Brücken gesprengt) durch eine 
				  „Vorkontrolle“ über die Donau ans andere Ufer bringen; mich 
				  als Kind kontrollierte niemand. Mein Vater setzte auf einen 
				  russischen Laster über.
Dann wieder Bestechung mit 
				  Zigaretten und schon waren wir auf einen Lastwagen und wir 
				  waren durch die Grenze.Entgegenkommend führte uns der Russe 
				  bis zur Haustüre. Da mein Vater slowakisch sprach, gelang es 
				  ihm immer wieder, sich mit den russischen Soldaten zu 
				  verständigen. In Preßburg habe ich mit meinem Vater kaum 
				  gesprochen, da es sehr gefährlich war deutsch zu sprechen 
				  .Dafür konnte man eingesperrt werden.
Gegen Ende Oktober organisierten 2 
				  Schulfreunde von meinem Vater einen Traktor, mit dem wir – 3 
				  Familien - auf dem Anhänger die Reise nach Wien antraten. Ach 
				  wie war ich von Wien enttäuscht! Alles war zerstört durch die 
				  Kriegsereignisse: Bombenruinen, Einschüsse,...Wir fuhren die 
				  Simmeringer-Hauptstraße bis zur Rennwegkaserne und bogen 
				  rechts ab in die Schlachthausgasse 19, wo einige Baracken 
				  standen. Wir - 3 Familien- fanden gemeinsam in einem größerem 
				  Raum notdürftig Unterkunft. Bald wurde eine andere Baracke, 
				  die desolat war, zerlegt und mit den Elementen wurden Wände 
				  aufgestellt, sodass die einzelnen Familien einen 
				  abgeschlossenen Raum bekamen. Für uns Kinder war das 
				  Lagerleben sehr lustig; es gab ein großes Areal, wo wir uns 
				  treffen konnten, „verbanne dich“,“verstecken“ spielen... Es 
				  war uns nie fad, denn es war immer etwas los. Dazu kamen die 
				  vielen Möglichkeiten und Begegnungen im „Sale“- Kinder und 
				  Jugendzentrum der Salesianer Don Boscos, wo wir „Flüchtlinge“ 
				  - Kinder UND Erwachsene – mit Wohlwollen aufgenommen wurden 
				  und uns bald zu Hause fühlten.
Mit dem möchte ich schließen, denn 
				  es begann ein „normales“ Leben in Wien – ich ging nach einem 
				  Jahr (unsere Schule hatte die SS im November 44 besetzt) 
				  wieder in die 4.KlasseVolksschule.
Die Vertreibung war für viele ein 
				  Ein- und Abbruch mit vielen Verwundungen und Schmerzen und 
				  großem Leid – eine Katastrophe. Davon waren vor allem die 
				  Kleinkinder und die alten Menschen betroffen. Für mich war es 
				  wie ein Abenteuer mit vielen Erlebnissen und Eindrücken, die 
				  mein Leben prägten. Sie eröffnete mir auch einen Lebensweg, 
				  den ich zu Hause nicht gehabt hätte.
				  
Und es begab sich…
… und er zog weiter, weil in den 
				  Herbergen kein Platz für ihn war.
Ein Auszug aus der 
				  Weihnachtsgeschichte? Leider nein.
An einem Donnerstag Nachmittag , 
				  Ende Oktober, kann ein Mann in die Pfarrkanzlei und fragte, ob 
				  ich ihm helfen könne. Er sei obdachlos und bräuchte, wegen der 
				  Kälte, einen Schlafplatz in einem der Quartiere, welche für 
				  Menschen, die auf der Straße leben, zur Verfügung stehen. Er 
				  hätte schon einige Nächte in diesen Häusern verbracht, aber 
				  jetzt seien alle voll. Meine Anrufe bei den verschiedensten 
				  Institutionen bestätigten diese Aussage. Und von offizieller 
				  Seite erfuhr ich: „Wir wissen um diese Situation. Leider sind 
				  alle Häuser
voll. Aber am Montag der nächsten 
				  Woche wird ein neues Büro, eine neue Anlaufstelle eröffnet. 
				  Dort soll er sich dann möglichst schon in der Früh melden, 
				  weil da die Wahrscheinlichkeit größer ist, dass er einen Platz 
				  bekommt.“ Mehr könne sie im Moment nicht für ihn tun.
Hmm, also eine Möglichkeit auf 
				  einen Platz. Und wenn’s nicht klappt? Leider konnte auch ich 
				  nicht mehr erreichen und musste ihm für die nächsten 4 Tage 
				  sich selbst überlassen. 4 Tage im Freien bei recht kaltem 
				  Wetter. Ein Umstand, der mich noch lange beschäftigte.
Die Weihnachtsgeschichte fand ein 
				  gutes Ende und wurde weltweit zur wohl größten Feier des 
				  Jahres. 
Was aus dem Obdachlosen wurde? 
				  Keine Ahnung.
Lassen wir auch heuer das Fest von 
				  der Geburt Jesu zu einem Fest der (Nächsten-)Liebe und der 
				  menschlichen Wärme werden. Und stellen wir die Menschen in die 
				  Mitte, nicht die Geschenke.
In diesem Sinne wünsche auch ich 
				  Ihnen ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest!
			  Am 15.Januar 1945 wurden wir ausgebombt und von da an lebten 
			  wir im Keller. Am Anfang der Praterstraße war sozusagen die 
			  Hauptkampflinie, die sich dem Kai entlangzog und uns zwang, auf 
			  dem Boden liegend die Zeit zu verbringen. Nur in den Kampfpausen 
			  wurde uns gestattet, den Keller zu verlassen und in der Waschküche 
			  zu essen und das Gegenteil zu tun.
			  Nach dem Waffenstillstand oder Kriegsende, ich kann mich da 
			  nicht so genau erinnern, ich war 9 Jahre alt, bekamen wir bei 
			  einer Frau im Nachbarhaus ein Zimmer zur Untermiete. Ohne Gas und 
			  Strom nur für 2 Stunden, in denen meine Mutter die Erbsen und ein 
			  paar Käfer kochte. Endlich um 22 Uhr schlangen wir heißhungrig 
			  diese üble Speise hinunter, aber was tut man nicht alles aus 
			  Hunger.
			  Inzwischen zwangen die Besatzer, die Erwachsenen die Leichen 
			  und Leichenteile auf Schubkarren in den Augarten zu  bringen, 
			  wo sie in die Bombentrichter geleert wurden und dann die Panzer 
			  das Erdreich wieder darauf schoben. Meine Mutter ließ mich 
			  natürlich nicht allein zu Hause und so kann ich mich daran noch 
			  sehr gut erinnern
			  Die Brücken über den Donaukanal waren gesprengt, Die 
			  abgebrochenen Fahrbahnen hingen ins Wasser und wurden mit ein paar 
			  Planken überbrückt. Wir mussten aber hinüber, denn bei uns waren 
			  die Wasserrohre zerborsten, und wir gingen in das Haus, wo heute 
			  die Kammerspiele sind, um uns mit Wasserkannen das kostbare Nass 
			  zu holen.
			  Meine Lieblingspuppe war mit mir im Luftschutzkeller 
			  gewesen, und das war das einzige, was meine Mutter zum Verhamstern 
			  hatte, für ein Kilo Mehl und zwei Eier.
			  Im September war es dann soweit, vor Hunger konnten wir kaum 
			  mehr schlafen, und so entschloss sich meine Mutter, mit mir in die 
			  Oststeiermark zu flüchten.
			  Der erste Tag war noch halbwegs gut, bis Wiener Neustadt 
			  ging ein Zug, dann war es aus. Am späten Nachmittag standen wir 
			  zwischen Glasscherben und Russen auf dem Bahnhof. Ein Engel in 
			  Gestalt einer lieben Frau nahm uns mit und brachte uns zu ihrer 
			  Freundin, der Apothekerin und wir durften im Geschäftslokal 
			  übernachten.
			  Am nächsten Tag nahm uns eine Fuhrwerk bis Aspang mit und 
			  dann ging es bergauf, zu Fuß natürlich. Bei einem 
			  Bahnwärterhäuschen stand eine Frau mit drei Kindern und erbarmte 
			  sich meiner und schenkte mir ein Häferl Milch. Inzwischen zogen 
			  Gewitter auf und ich musste mich in mein rotes Regencape hüllen, 
			  für illegalen Grenzübertritt nicht gerade die richtige Garderobe. 
			  Daher war es nicht verwunderlich, dass uns ein plötzliches STOJ 
			  zur Salzsäule erstarren ließ. Zwei Russen kontrollierten Mamas 
			  Rucksack auf Waffen, ließen uns aber weiter gehen. Bei einem 
			  Wolkenbruch erreichten wir am Hochwechsel einen Bauernhof, wo 
			  meine Mutter fragte, ob wir im Heustadel übernachten dürften. Die 
			  Hunde wurden auf uns losgelassen und wir gaben natürlich 
			  Fersengeld. Um ca. 22 Uhr waren wir endlich in Friedberg und im 
			  Kaufhaus Muhr bekamen wir etwas zu essen und ein Bett, das uns die 
			  Lehrlinge gutherzig überließen. Nach dem Frühstück bekamen wir den 
			  Rat, bei der englischen Kommandantur nachzufragen, ob uns ein 
			  Militärfahrzeug bis Hartberg mitnehmen würde. Der diensthabende 
			  Offizier hatte für uns nichts übrig, und wollte uns sofort wieder 
			  nach Niederösterreich abschieben, ließ es dann aber sein, nachdem 
			  sich meine Mutter vor ihm auf die Knie geworfen hatte.
			  So ging es nun zu Fuß weiter, bis in die Nähe von Hartberg. 
			  Dort durften wir in einer Kammer eines Bauernhofes das Bett 
			  benützen. Nach Begutachtung des Bettzeugs, das nur so von Wanzen 
			  wimmelte, schliefen wir auf dem Boden und waren trotzdem am 
			  nächsten Tag wieder fit, weiter zu marschieren. Am frühen 
			  Nachmittag erreichten wir den Heimatort meiner Mutter und mieteten 
			  ein möbiliertes Zimmer. Die dritte Klasse absolvierte ich in 
			  dieser zweiklassigen Volksschule, für mich eine Zeit der Freiheit 
			  und der Läuse. Aber es gab Essen in Hülle und Fülle. Am ersten 
			  Sonntag verschlang ich fünf Kalbsschnitzel und wurde nicht krank, 
			  Keine Bomben, viel zu essen und viel Freiheit, denn meine Mutter 
			  ging zu den Bauern aufs Feld arbeiten, um Essen zu bekommen und um 
			  die Essensmarken zu sparen.
			  Im Juni bekam meine Mutter wieder eine Wohnung in Wien und 
			  es ging zurück, mit der Bahn natürlich, sechs Stunden für den 
			  Rückweg, dreieinhalb Tage für den Hinweg. Aber wie schon Frank 
			  Sinatra sang ...That's life.....M.  P., Jahrgang 1936